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Notfallmassnahmen

Der Konsum von Drogen ist Bestandteil unserer Gesellschaft. Schwere Intoxikationen aufgrund Designerdrogen sind, im Gegensatz zu Intoxikationen durch Alkohol oder Opioide, selten. 

Von den in der Schweiz im Ausgangssetting konsumierten illegalen Substanzen (Designerdrogen, Partydrogen) scheinen hauptsächlich GHB/GBL, Kokain (Herzmuskelinfarkt, Herzrhythmusstörungen) und Ecstasy von notfallmedizinischer Bedeutung zu sein.

Das Spektrum dieser Substanzen kann erfahrungsgemäss aber auch sehr schnell wechseln und die Zusammensetzung einzelner Substanzen ist selten zuverlässig bekannt.

Generelle Massnahmen

  • Konsumierende durch behutsame Gesprächsführung beruhigen
  • Erfragen, was konsumiert worden ist. (evtl. auch Rücksprache mit dem Tox-Zentrum auf Telefon 145)
  • Hilfe anfordern (Sanität oder Notärztin/Notarzt resp, Dienstärztin/Dienstarzt verständigen, telefonische Notfallnummer: 144)
  • Reizschutz aufbauen oder Person an einen reizarmen Ort verlagern
  • Für Temperaturausgleich bzw. frische Luft und Flüssigkeitszufuhr sorgen
  • Betroffene Person beaufsichtigen und nach Möglichkeit bei Bewusstsein halten

Allgemein

  • Das Management von Intoxikationen sollte nach dem in der Notfallmedizin üblichen diagnostisch-therapeutischen Stufenplan ("Primäres" und "Sekundäres ABC") erfolgen
    • "Primäres ABC": Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen (Atmung, Herz-Kreislauf)
    • "Sekundäres ABC": Suche nach den klinischen Zeichen der Intoxikation und dem vermuteten Toxidrom (Symptombild einer Intoxikation)

Toxidrome

  • Sympathomimetisches Syndrom (z.B. durch Amphetamin, Kokain): Tachykardie, Hypertension, Hyperthermie, Mydriasis, Tremor, Agitation
  • Serotonerges Syndrom (z.B. durch MDMA/Ecstasy): Verwirrtheit, Agitation, Hyperthermie, Bruxismus, Spasmen, Hyperreflexie, Mydriasis
  • Anticholinerges Syndrom (z.B. durch pflanzliche Gifte wie Engelstrompete oder Medikamente wie Antihistaminika, Antidepressiva): Hyperthermie, Zittern, Tachykardie, Mundtrockenheit, Verwirrung, Mydriasis, Flush

CAVE 

  • Ein potentielles begleitendes Schädelhirntrauma bzw. Wirbelsäulenverletzungen nicht verpassen!
  • Die Möglichkeit von Mischintoxikationen in Betracht ziehen!

Spezifische Notfallmassnahmen

  • Bei problematischen körperlichen und/oder psychischen Folgen nach Stimulanzienkonsum ((Amphetamin / Methamphetaminbzw. bei sympathomimetischem Toxidrom: Aufgrund der langen Wirkdauer von manchen Amphetamin-Abkömmlingen sind prolongierte Verläufe bis 24(-48)h möglich:
    • bei Agitiertheit: Reizabschirmung, Verletzungsgefahren verhindern, evtl. Benzodiazepine
    • bei psychotischem Erleben oder Delir (Hospitalisationsbedarf!): Hochpotentes Neuroleptikum (Olanzapin, Haloperidol).
    • bei Tachykardie und Bluthochdruck: Alpha-Blocker empfohlen. Vor dem Gebrauch von Beta-Blockern wird abgeraten, da die ß1-Wirkung einerseits die Herzfrequenz senkt, hingegen die ß2-Wirkung das Risiko von Vasospasmen der Koronararterien (Prinzmetal-Angina) erhöht bei gleichzeitig erhöhtem kardialem Sauerstoffgebrauch durch die Stimulantien (Sympathikus).
    • bei Hyperthermie: Flüssigkeitszufuhr und Hospitalisation
  • Bei problematischen körperlichen und/oder der psychischen Folgen nach Ecstasy-Konsum bzw. serotonerges Toxidrom
    • Zufuhr von Flüssigkeit
    • Elektrolytkontrolle, Salzzufuhr
    • bei Agitiertheit: evtl. Benzodiazepine
    • bei Tachykardie und Bluthochdruck: Alpha-Blocker
    • bei Hyperthermie (erhöhte Körpertemperatur): vorsichtig kühlen, Flüssigkeitszufuhr und Hospitalisation
    • Eine schwere Ecstasy-Intoxikation kann mit einer Hyponatriämie, einer Hyperthermie, einem SIADH (unangemessen hohe ADH-Sekretion (Antidiuretisches Hormon) und einem Serotoninsyndrom (Serotoninüberschuss im Gehirn mit autonom vegetativen Symptomen (Steigerung der Herzfrequenz, Bluthochdruck, Schwitzen, Übelkeit, Pupillenweitung, usw.)), mit zentralnervösen Symptomen (Akathisie ("Sitzunruhe"), Halluzinationen, Hypomanie, usw.) und mit neuromuskulären Symptomen (Tremor, gesteigerte Reflexe, epileptiforme Anfälle, usw.) einhergehen
  • Bei problematischen körperlichen und/oder psychischen Folgen nach Poppers-Konsum:
    • Volumensubstitution
    • Methylenblau bei Methämoglobinämie
  • Bei problematischen körperlichen und/oder psychischen Folgen nach LSD-Konsum:
    • Betroffene nicht alleine lassen
    • vorsichtige Körperberührung
    • „talk down“ (über reale, anfassbare Dinge reden, Bewusstsein schaffen, dass das Erlebte substanzinduziert ist und das die Wirkung wieder vorbei geht)
    • Betroffene evtl. an einem anderen geeigneteren Ort betreuen
    • frische Luft, viel Trinken
    • Bei starker Unruhe: Benzodiazepine; falls nicht ausreichend oder im Falle eines Deliriums/Wahnvorstellungen Neuroleptika verabreichen (Haloperidol)
  • Bei problematischen körperlichen und/oder psychischen Folgen (Überdosierung) nach GHB/GBL-Konsum:
    • Atemwege freihalten
    • Intubationsbereitschaft schaffen (Ambulanz, Notfallstation), denn die Notwenigkeit zur Intubation kann sehr schnell auftreten!
    • Vitalfunktionen überprüfen
    • bei epileptiformen Anfällen: Benzodiazepine, Hospitalisation
    • GHB/GBL: führen oft zu einem labilen Koma («On-Off-Phänomen»), d.h. ein Wechsel aus starker psychomotorischer Agitation und rasch eintretender Bewusstlosigkeit oder tiefes Koma
    • Das Bestehen einer körperlichen Abhängigkeit bei regelmässigem GHB/GBL-Konsum muss stets mit bedacht werden, so dass ein allfälliges Entzugssyndrom medizinisch aufgefangen werden muss
    • CAVE: unbehandelte Entzugssyndrome können epileptiforme Anfälle evozieren! Einsatz von Benzodiazepinen oder pharmazeutischem GHB, siehe Artikel.

 

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