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Antitussiva (Hustenmittel)

  • Es gibt kaum eine Indikation für den langdauernden Einsatz von Antitussiva. Das erklärt, dass es selten zu einer Abhängigkeitsentwicklung kommt.
  • Bei lange anhaltendem Husten muss in erster Linie eine Ursache gesucht (z.B. Asthma bronchiale, Reflux, Tumor, Herzinsuffizienz) und eine gezielte Behandlung eingeleitet werden. Sinnvolle Abklärungsschritte sind z.B. die Anfertigung eines Thorax-Röntgenbildes und je nach Klinik die Durchführung einer Lungenfunktionsprüfung.
  • Die wirksamsten Antitussiva enthalten Opioide (Codein oder Dextromethorphan, z.B. Bexin®), wirken zentral dämpfend auf das Hustenzentrum in der Medulla oblongata und können deshalb missbräuchlich verwendet zu einer Abhängigkeit führen.
  • Husten-Kombipräparate (z.B. mit Sekretolytika) sollen vermieden werden.
  • Codein und Dextromethorphan sollten in Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden.
  • Wie bei allen Opioiden kann die Reaktionsfähigkeit, die Fahrtüchtigkeit oder die Fähigkeit Maschinen zu bedienen, beeinträchtigt werden. Dies gilt in verstärktem Masse bei gleichzeitiger Einnahme von Alkohol und/oder Sedativa.
  • Die meisten Codein-Tropfen und Dextromethorphan-Präparate sind rezeptfrei erhältlich und sollten nur nach vorsichtiger Beratung durch den Apotheker oder Arzt abgegeben werden. Pretuval, ein Kombipräparat mit Dextromethorphan-Anteil in Abgabekategorie D, ist sogar in Drogerien erhältlich.
  • Beim Bestehen einer längerdauernden Abhängigkeit und gescheitertem Entzug von Codein und/oder Dextromethorphan kann, nach Rücksprache mit einer Suchtmedizinerin oder einem Suchtmediziner, auch eine Opioidagonistentherapie (OAT) (z.B. mit Methadon, LevomethadonBuprenorphin oder SROM) in Betracht gezogen werden. Das Vorgehen entspricht dem einer OAT bei Heroinabhängigkeit.
  • Patientinnen oder Patienten in einer OAT sollen keine opioidhaltigen Antitussiva erhalten (Missbrauchsrisiko; Interaktion kann zu Atemdepression führen).

Codein

  • Codein wird nach oraler Gabe rasch und vollständig resorbiert; da Codein bei der ersten Leberpassage relativ wenig metabolisiert wird, ist seine systemische Verfügbarkeit deutlich höher als diejenige von oral verabreichtem Morphin. In der Leber werden rund 10% einer Codeindosis zu Morphin demethyliert; aufgrund eines genetischen Polymorphismus erfolgt diese Umwandlung bei etwa 9% der Bevölkerung in sehr stark vermindertem Ausmass. Normalerweise wird Codein grösstenteils von der Leber metabolisiert; auch die aktiven Metaboliten werden hepatisch eliminiert. Im Urin finden sich fast nur inaktive Codein-Metaboliten. Die Plasmahalbwertszeit von Codein beträgt 2 bis 3 Stunden. Die zur Hustenbehandlung notwendigen Codeindosen verursachen oft eine Obstipation, gelegentlich auch Brechreiz. Die codeinbedingte Atemdepression ist meistens wenig ausgeprägt und nur bei Patienten mit einer deutlichen Störung der zentralen Atemregulation (d.h. bei respiratorischer Globalinsuffizienz) klinisch von Bedeutung. Auch das Abhängigkeitspotential von Codein ist nicht sehr ausgeprägt; dennoch wird Codein in der Suchtszene als Ersatzdroge verwendet. Von manchen Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird Codein als dämpfende Substanz eingenommen, teils auch in Kombination mit Sedativa, Alkohol oder anderen Substanzen.

Dextromethorphan

  • Dextromethorphan, ein Isomer von Levometorphan (ein Opioid) und NMDA Antagonist, hat ein geringeres Suchtpotential als Codein; dieses Antitussivum kommt deshalb als Alternative zu Codein in Frage. Etwa 2 Stunden nach oraler Verabreichung werden maximale Plasmakonzentrationen erreicht; die Plasmahalbwertszeit beträgt 2 bis 2,5 Stunden. Wie Codein wird Dextromethorphan in der Leber demethyliert. Dieser Stoffwechselvorgang ist vom gleichen Polymorphismus bestimmt wie die Debrisoquin-Hydroxylierung; da die Dextromethorphan-Stoffwechselprodukte im Urin gut nachweisbar sind, eignet sich die Substanz gut zur Bestimmung des entsprechenden Phänotyps.
  • Die antitussive Wirkung von Dextromethorphan scheint ungefähr derjenigen von Codein zu entsprechen; subjektiv geben viele Patientinnen und Patienten Dextromethorphan den Vorzug. Beide Medikamente senken die Hustenfrequenz stärker als die Hustenintensität. Möglicherweise hält die Wirkung von Dextromethorphan länger an als diejenige von Codein. 
  • Dextromethorphan gilt als vergleichsweise nebenwirkungsarm, wird aber über CYP2D6 metabolisiert und kann so Interaktionen mit mehreren Antidepressiva haben; Bei Überdosierung verursacht das Medikament aber zum Teil erhebliche Symptome (z.B. Somnolenz, Erregungszustände, Ataxie, Visusstörungen, Tachykardie, Nausea). Bei Vergiftungen können Bewusstseinsstörungen oder toxische Psychosen auftreten. Eigentlicher Missbrauch und Abhängigkeit sind jedoch sehr selten. Periodisch tauchen auch bei uns Meldungen von einer trendmässigen Zunahme des Konsums von Hustenmitteln auf.

 

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