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Motivierende Gesprächsführung

  • Menschen mit Suchtproblemen sind nicht unmotiviert, sondern ambivalent!
  • Motivational Interviewing (MI) ist eine Methode der Gesprächsführung zur Erhöhung der Eigenmotivation von Menschen, ein problematisches Verhalten (z.B. Suchtmittelkonsum) zu verändern. Die Anwendung von MI verspricht eine deutliche Kompetenzsteigerung im Umgang mit Sucht- und anderen Problemen.
  • Empirische Studien belegen die Wirksamkeit dieser Methode, die in Kursen in verhältnissmässig kurzer Zeit gelernt werden kann (z.B. www.gk-quest.de; www.motivationalinterview.org) oder z.B. an der Universität Basel als Certificate of Advanced Studies (CAS) angeboten wird: weitere Infos und Anmeldung.
  • Dabei wird berücksichtigt, dass sich Veränderungsbereitschaft in Phasen entwickelt (vgl. Modell von Prochaska und Di Clemente).
  • MI eignet sich vor allem bei Personen mit geringer Änderungsbereitschaft und kann z.B. als Kurzintervention angewendet werden.
    • Die Patientin oder der Patient wird bereit, selbst über die in ihm bereits 'schlummernden' Beweggründe für eine Veränderung zu sprechen und
    • sie oder er wird zunehmend offener für eine Konsumveränderung, wenn sie oder er erlebt, dass ihr oder sein Konsum mit wichtigen Zielen oder Werten in ihrem oder seinem Leben nicht vereinbar ist.
    • MI bedeutet in diesem Sinne die Freisetzung von in der Patientin oder im Patienten vorhandenen Veränderungsimpulsen.
  • MI setzt eine Innere Haltung der Ärztin oder des Arztes voraus. Die Ärztin oder der Arzt:
    • ist sich bewusst, dass in jeder Patientin oder jedem Patienten Beweggründe und Potentiale zur Veränderung schlummern. Diese gilt es frei zu setzen und hervorzulocken.
    • Respektiert die Autonomie der Patientin oder des Patienten.
    • Begegnet der Patientin oder dem Patienten in Augenhöhe und vermeidet die Expertenrolle.
    • Zeigt Anteilnahme und vermittelt der Patientin oder dem Patienten, dass es ihm nicht egal ist, wie es ihr oder ihm geht.
  • Bei der praktischen Umsetzung werden 4 Prozesse unterschieden:
    • Zu Beginn steht die Kontaktaufnahme im Vordergrund. Die Ärztin oder der Arzt erzeugt durch die MI-Haltung eine offene, wertschätzende und partnerschaftliche Atmosphäre. Dies stellt die Grundlage für die weiteren Schritte dar.
    • Der Prozess des Fokussierens dient dazu, gemeinsam eine Klarheit zu gewinnen, um was es genau geht und welches konkrete Verhalten im Vordergrund steht.
    • Das Hervorlocken von Eigenmotivation ist eine zentrale Aufgabe. Im Gespräch wird die intrinsische Motivation gesucht, beleuchtet und hervorgehoben.
    • Im Prozess des Planens geht es darum, den dann motivierten Patientinnen und Patienten durch geeignete Planungsstrategien dabei zu helfen, auch im Sinne ihrer Absichten zu handeln und diese auch umzusetzen.
  • Eine Intervention auf Basis desMI baut stets auf vier Prinzipien:
    • Empathie
    • Entwicklung von Diskrepanzen
    • geschmeidiger Umgang mit Widerstand
    • Förderung von Veränderungszuversicht
  • Für die gezielte Umsetzung in die Praxis werden sieben Techniken empfohlen:
    • Offene Fragen stellen
      • Offene Fragen sind Fragen, die die Patientinnen und  Patienten zu einer ausführlichen Darlegung ihrer Sichtweise bringen sollen.
      • Durch offene Fragen erfährt die Ärztin oder der Arzt Neues und kann so die Welt aus den Augen der Patientin oder des Patienten betrachten und die Möglichkeiten und Ressourcen erkennen.
    • Aktives Zuhören
      • Aktives Zuhören bedeutet, bei Patientenäusserungen "ganz Ohr" zu sein. Das Verstandene wird zurückgemeldet, möglichst in vertiefter Form.
    • Würdigung
      • Die direkte Bestätigung im Sinne einer authentischen Wertschätzung der Patientin oder des Patienten ist eine weitere Möglichkeit, um ein positives Verhältnis aufzubauen und um der Patientin oder dem Patienten einen Zugamg zu seinen Ressourcen zu ermöglichen.
    • Change Talk
      • Nachteile des Status Quo, Vorteile einer Änderung thematisieren.
    • Umgang mit Widerstand
      • Dabei geht es im Kern darum, mit aufkommendem Widerstand der Patientin oder des Patienten geschmeidig umzugehen und dadurch zu einer Atmosphäre des "dancing" und nicht des "wrestlings" zurückzukehren.
    • Confidence Talk
      • Wenn die Patientinnen und Patienten Confidence Talk zeigen, äussern sie Gründe der Zuversicht, ihr Veränderung auch eigenständig erreichen zu können. Diese gilt es zu erkennen und solche Äusserung gezielt hervorzulocken.
    • Zusammenfassen:
      • Durch periodische Zusammenfassungen hört die Patientinnen und Patienten ihre Pro und Contra Argumente einer Veränderung. Hierdurch soll die eigene Auseinandersetzung mit der eigenen Ambivalenz Aufrecht erhalten bleiben.
  • Etwas ausführlicher wird diese Methode des 'Tanzen statt Kämpfen' in einem Artikel in Ars Medici 7/2006 beschrieben.
  • PEPra bietet eine zweistündige E-Learning-Fortbildung an. Die Online-Anwendungsübungen können im 1:1 Setting mit standardisierten Patient:innen durchgeführt werden. Die Umsetzung ist zeitunabhängig, sofort zugänglich und jederzeit wieder abrufbar. Geeignet als erster Einblick in die Theorie von Motivational Interviewing oder als Refresher.
  • In einem 1 stündigen E-Learningtool im British Medical Journal (BMJ) kann MI, u.a. mit Videobeispielen von Stephen Rollnick, in englischer Sprache vertieft werden, eine unentgeltliche Registrierung ist notwendig.
  • Das Institut für Allgemeinmedizin in Jena hat ebenfalls ein E-Learningtool entwickelt, welches gemäss ihren Aussagen noch weiterentwickelt werden soll.

Fort- und Weiterbildungsangebote zu MI finden Sie unter Veranstaltungen --> Fort- und Weiterbildungen.