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High-Dose-Abhängigkeit

  • Personen mit einer Kombination von mehreren Substanzstörungen entwickeln häufig eine High-Dose-Abhängigkeit (Aequivalenzdosis > 20 mg Valium/Tag).
  • Der Umgang mit diesem Problem ist unbefriedigend gelöst, erinnert an die Zeit vor der Opioidagonistentherapie mit Methadon, retaridertem Morphin, Burpenorphin oder Diacetylmorphin, ist vor allem geprägt von Verboten und muss als gescheitert bezeichnet werden.
    • Die Verfügbarkeit von Benzodiazepinen in der Drogenkonsumszene ist weiterhin hoch.
    • Benzodiazepine sind bei Konsumierenden mit mehreren Substanzstörungen sehr beliebt.
    • Es existieren praktisch keine Studien, die einzelne Aspekte dieser Thematik untersucht haben.
  • Eine rein repressive Haltung Benzodiazepinen gegenüber im Bereich der Hoch-Dosis-Abhängigkeit berücksichtigt nicht, dass
    • Menschen mit einem Benzodiazepinbeikonsum eine ernstzunehmende Zweiterkrankung haben, nämlich entweder eine:
      • Benzodiazepinabhängigkeit (deren Entzug Monate dauern kann und so lange einer regelmässigen Benzodiazepinverschreibung bedarf) oder eine
      • nicht erkannte psychiatrische Komorbidität, die
        • mit einem Benzodiazepin zwar gelindert, aber nicht korrekt behandelt ist oder
        • mit einem Benzodiazepin korrekt behandelt sein kann (weil es keine praktikable bessere Behandlung gibt).
    • Benzodiazepine in adäquater Dosierung zu einer Beruhigung im psychosozialen Bereich führen können, die soziotherapeutisch genutzt werden kann (in Analogie zu anderen Agonistentherapien).
    • Benzodiazepine bei ausgewählten Patienten auch im Sinne der Schadensminderung oder Palliation indiziert sein können.
  • In dieser unbefriedigenden Situation suchen Suchtfachleute neue Lösungsmodelle, die auch eine kontrollierte Abgabe von Benzodiazepinen umfassen.
  • Folgende Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein für einen gezielten Langzeiteinsatz von Benzodiazepinen bei Patienten mit mehreren Substanzstörungen:
    • Gescheiterter ambulanter (und stationärer?) Entzug
    • Indikationsstellung durch eine Fachperson (z.B. ambulant-psychiatrischer Dienst, sozialmedizinisch interessierte Psychiaterin oder sozialmedizinisch interessierter Psychiater). Fragestellung: Psych. Komorbidität, Indikation für andere Psychopharmaka?
    • Behandlungsvereinbarung (in Analogie zu Opioidagonistentherapie) mit Formulierung eines Behandlungsziels; Bewilligung durch Kantonsärztin oder Kantonsarzt. Evtl. Kontaktaufnahme mit der Vertrauernsärztin oder dem Vertrauensarzt der Krankenkasse, damit eine Langzeitbehandlung mit einem Benzodiazepin bezahlt wird (wozu die Krankenkasse nicht verpflichtet ist, weil es sich wegen zu langer Behandlungsdauer, bzw. zu hoher Dosierung um sog. "Off-Label-Use" handelt).
    • Umstellung des meist kurzwirksamen Benzodiazepins (typischerweise Midazolam (Dormicum®) auf ein langwirksames Benzodiazepin, z.B. Diazepam (Valium®), Alprazolam retard (Xanax ret.®) oder Clonazepam (Rivotril®) nach Umstellung gemäss Äquivalenztabelle.
    • Anfangs tägliche Einnahme unter Sichtkontrolle der Tagesdosis (ausser sonntags) in Praxis oder Apotheke.
    • Regelmässige Gespräche über Behandlungsverlauf bei Hausärztin oder Hausarzt, evtl. Psychiaterin oder Psychiater und/oder Suchtfachstelle.
    • Überwachung bezüglich Ausmass des Alkohol-/Opioidbeikonsums wegen der Gefahr von Interaktionen; Evtl. Unterbruch der Benzodiazepinmedikation bei Intoxikation durch andere Substanzklasse.
    • Periodische Evaluation, ob eine andere Behandlung geeigneter ist.


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