Das Delirium tremens ist eine potentiell lebensbedrohliche Komplikation beim abrupten Absetzen von Alkohol und eher selten im Rahmen einer medikamentös unterstützten Entzugsbehandlung
Es tritt in ca. 3-5% der Alkoholentzüge auf, insbesondere bei nicht behandeltem vegetativem Entzugssyndrom, z.B. perioperativ, bei Hospitalisationen wegen anderer akuter Erkrankungen oder in der U-Haft
Das Delirrisiko steigt mit höherem Lebensalter (>65 Jahre) sowie dem Ausmass an zusätzlichen neurodegenerativen (z.B. Demenz), psychischen (z.B. rez. Depressionen) oder körperlichen (z.B. Infekte, Hypertonie) Vorerkrankungen (Schwellenkonzept)
Die Symptome des Entzugsdelirs entwickeln sich typischerweise erst nach 12 bis 24 Stunden nach Beendigung des Alkoholkonsums ; häufig geht dem Delir ein Entzugsanfall voraus
Typisch für das Entzugsdelir sind ein plötzlicher Beginn und fluktuierender Verlauf
Neurobiologisch wird das Entzugssymptomatik mit einem Wegfallen der GABAergen (dämpfenden) und antiglutamatergen Effekte von Alkohol in Verbindung gebracht was zu einer überschiessenden cerebralen Stressantwort mit Desorganisation neuronaler Netzwerke beitragen soll
Leitsymptome
Zentrales Symptom ist die Bewusstseinsstörung mit beeinträchtigter örtlicher, situativer und zeitlicher Orientierung
Agitiertheit und motorische Unruhe
Schlafstörungen und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus
Das Mortalitätsrisiko sinkt, wenn das Alkoholdelir frühzeitig erkannt und behandelt wird
Therapie
Immer stationäre Behandlung, bei sehr schweren Verläufen intensivmedizinische Behandlung
Möglichst reizarme Umgebung (z.B. Lärm reduzieren, keine Zimmerwechsel, keine Kälte, wenig Lichtreize, Nachtruhe einhalten), Angstreduktion (z.B. früher Einbezug von Angehörigen, Konstanz der Pflegepersonen), frühe Mobilisation und frühe Förderung der kognitiven Reorientierung (z.B. Kalender, Uhren im Sichtbereich platzieren, Tageszeitung, Sehen (Brille) und Hören (eigene Hörgeräte) optimieren)
Symptomorientierte medikamentöse Behandlung mit Benzodiazepinen wie Diazepam (Valium) oder Lorazepam (Temesta) als Mittel der ersten Wahl zum Ausgleich des entzugsassoziierten GABA-Mangels und Glutamat Überschusses; Lorazepam kann im Entzugsdelir intravenös gegeben werden und bildet bei mittellanger Dauer keine aktive Metabolite; bei fortgeschrittener Leberschädigung wird Oxazepam (Seresta) empfohlen, da es keine hepatischen Metaboliten bildet
Clomethiazol (Distraneurin) reduziert die Häufigkeit und Schwere von Entzugskomplikationen und kann bei deliranten Symptomen wie Halluzinationen, Wahn und Agitation mit Antipsychotika, insbesondere Butyrophenone, wie Haloperidol kombiniert werden; Clomethiazol sollte wegen des hohen Abhängigkeitspotenzials und der geringen therapeutischen Breite im ambulanten Setting zum Alkoholentzug nicht eingesetzt werden
Bei produktiv psychotischen Symptomen kann niedrigdosiert Haloperidol (Haldol) in Kombination mit Benzodiazepinen oder sedierende atypische Neuroleptika (cave: für Delir im off-label Bereich) eingesetzt werden, z.B. Risperidon, Olanzapin (cave anticholinerge Wirkung), Quetiapin (nur schwach antidopaminerg, kann bei eingeschränkter Nierenfunktion eingesetzt werden), Aripiprazol (nur schwach sedierend, kann bei QTc Verlängerung eingesetzt werden)
Bei ausgeprägten vegetativen Störungen Alpha2-Agonisten wie Clonidin, Dexmedetomidin oder Beta-Blocker als Monotherapie oder in Kombination mit Benzodiazepinen
Nach 2 bis 5 Tagen ist in der Regel mit einer deutlichen und nachhaltigen Symptomreduktion zu rechnen, dann ausschleichendes Absetzen der Medikamente
Grundsätzlich (parenterale) Thiamingabe (Vitamin B1) zur Prophylaxe einer Wernicke-Enzephalopathie
Antikonvulsiva (z.B. Pregabalin, Carbamazepin, Valproinsäure, Gabapentin) sind für die Behandlung von schweren Alkoholentzugsyndromen oder Alkoholdeliren nicht geeignet