Rechtliche Aspekte
Das Kinder- und Erwachsenenschutzrecht KESR
(gültig seit dem 01.01.2013)
Ziel der Gesetzesrevision
- Förderung Selbstbestimmung unter höchstmöglicher Fürsorge (ethischer Konflikt)
- Schutz der Urteilsunfähigen bzw. Schutz der Persönlichkeit
- Stärkung Familiensolidarität (Vertretung)
- Professionalisierung im Kindes- und Erwachsenenschutz
- Freiheits- und Bewegungseinschränkungen als ultima ratio
Die Fürsorgerische Unterbringung (FU) wird durch das Schweizerische Zivilgesetzbuch unter Art. 426. Abs. 1 ZGB geregelt.
Voraussetzungen FU
Die Voraussetzungen für die FU sind im Vergleich zum bis 2012 geltenden Fürsorgerischen Freiheitsentzug (FFE) etwas anders formuliert. Es dürfen Personen, die an einer psychischen Störung oder an einer geistigen Behinderung leiden oder schwer verwahrlost sind in einer geeigneten Einrichtung (also auch Wohnheim) untergebracht werden. Die Fremd- oder Selbstgefährdung wird vom Gesetzgeber nicht mehr erwähnt.
Achtung: Die Umsetzung der Fürsorgerischen Unterbringung einer Person ist kantonal unterschiedlich geregelt. Das betrifft sowohl die für eine Anordnung befugten Ärztinnen und Ärzte als auch die Überprüfungsfristen z.B. bei einer Rückbehaltung in einer stationären Einrichtung.
Sie finden die Bestimmungen und die Formulare für ihren Kanton auf den websites der jeweiligen Gesundheitsdirektionen.
Beispiel Kanton Zürich
Überprüfung FU
Eine FU in einer geeigneten Einrichtung kann für maximal 6 Wochen von einer Ärztin oder einem Arzt angeordnet werden. Bei einer Weiterführung der FU braucht es einen Unterbringungsentscheid der zuständigen KESB, welche für den Entscheid ein Gutachten einer sachverständigen Person (Fachärztin/Facharzt) einholen muss. Der anschliessende Rechtsweg an die Einzelrichterin oder den Einzelrichter am Bezirksgericht bleibt unverändert zum alten Gesetz bestehen.
Rückbehaltung
Für die Rückbehaltung einer freiwillig in eine Institution eingetretenen Person von länger als 3 Tagen braucht es einen entsprechenden FU-Entscheid, welcher durch die KESB oder eine Fachärztin oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie verfügt wurde.
Gefährdungsmeldungen bei der KESB
Eine Gefährdungsmeldung ist in der Schweiz ein von einer natürlichen oder juristischen Person eingereichtes Schreiben an die regional zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) und ermöglicht bei der Gefährdung von Personen, zu deren Hilfe aktiv zu werden. Eine Gefährdung liegt vor, wenn die Möglichkeit einer Beeinträchtigung einer betroffenen Person selbst, beispielsweise eines zu betreuenden Kindes, besteht.
Nicht erforderlich ist, dass diese Beeinträchtigung schon besteht, sondern sie kann auch präventiv, zur Vermeidung einer Beeinträchtigung erfolgen. Eine Gefährdungsmeldung ist ein einschneidender Schritt und erfolgt in der Regel nur, wenn freiwillige Bemühungen erfolglos waren.
Die meisten Meldungen an die zuständigen Behörden erfolgen von Privatpersonen aus dem Umfeld der Betroffenen.
Soll eine Gefährdungsmeldung von einer medizinischen Fachperson (z.B. Ärztin/Arzt, Psychologin/Psychologe) ohne Zustimmung der betroffenen Person erfolgen, dann sollte vorgängig eine Entbindung vom Berufsgeheimnis bei der zuständigen Gesundheitsdirektion eingeholt werden. Nur so ist es möglich, eine aussagekräftige Begründung für Gefährdungsaspekte schriftlich verfassen zu können.
Hafterstehungsfähigkeit
Auch in der hausärztlichen Praxis kann gefordert werden, dass die Hafterstehungsfähigkeit geprüft und beurteilt wird. Dabei kann es sich um eigene Patientinnen oder Patienten handeln, denen ein Strafvollzug bevorsteht oder um eine notfallmässige Anforderung einer ärztlichen Stellungnahme für eine Person, die in Untersuchungshaft genommen wurde bzw. die sich im vorübergehenden Polizeigewahrsam befindet.
Der Autor1 des unten aufgeführten Artikels stellte folgende Schlussfolgerungen auf, die bei der Beurteilung der Hafterstehungsfähigkeit berücksichtigt werden sollten:
- "Hafterstehungsfähigkeit" ist keine medizinische Diagnose, sondern eine Rechtsgüterabwägung zwischen medizinischen Faktoren und dem Strafanspruch des Staates
- Die Haftbedingungen stellen heute bescheidene Anforderungen an den Gesundheitszustand eines Verurteilten
- Rechtsgültige Urteile können und sollen nicht durch ärztliche Zeugnisse aufgehoben werden
- Seitens des Bundesgerichts wird seit Jahren eine restriktive Praxis vorgegeben
- Die Ärztin oder der Arzt sollte sich darauf beschränken, die medizinischen Befunde zu erheben und in einer dem Laien verständlichen Sprache darzulegen; nicht zu vergessen sind auch die praktischen Auswirkungen einer nötigen Behandlung
- Es sollte auf die Gefahren angesichts der gegebenen Belastbarkeit und der zu erwartenden konkreten Belastungsmomente hingewiesen werden
- Es sollten Angaben gemacht werden, ob und wenn wie die gesundheitliche Situation des Verurteilten durch organisatorische und therapeutische Massnahmen verbessert werden kann
- Suizidalität allein ist kein hinreichender Grund dafür, eine Haftunfähigkeit anzunehmen
Siehe auch Artikel von Röhmer J., Beurteilung der Hafterstehungsfähigkeit in Schweiz Med Forum 2012;12(36):685-690
1Burz C; Psychische Störungen und Hafterstehungsfähigkeit, in Schweiz Med Forum, 2007, 146-149