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Diacetylmorphin / Heroin

Pharmakologie des Diacetylmorphin (DAM)

Das in der Heroingestützten Behandlung benutzte Diacetylmorphin wurde 1874 entdeckt und 1898 von der Firma Bayer unter dem Namen Heroin auf den Markt gebracht.

Verordnet und eingesetzt wird Diacetylmorphin in der Schweiz seit 1994 ausschliesslich in der Heroingestützten Behandlung, welche mit der Revision des Betäubungsmittelgesetzes 2008 gesetzlich verankert wurde, unter dem Handelsnamen Diaphin®.

Es stehen Diaphin-Lösung® zur Injektion sowie Diaphintabletten® in 2 unterschiedlichen galenischen Formen (IR= immediat release, SR= slow release) zur Verfügung. In einigen Zentren wird auch die nasale Gabe von Diaphin-Lösung® angeboten. Zusätzlich sind Kombinationen mit Methadon, L-Polamidon sowie retardierten Morphinen möglich.

Wirkungsmechanismus

Diacetylmorphin ist ein narkotisches Analgetikum. Für die zentralnervösen Wirkungen ist in erster Linie die Bindung an μ-Rezeptoren verantwortlich.

Pharmakodynamik

Diacetylmorphin bzw. die aktiven Metaboliten (6-MAM, Morphin und Morphin-6-Glucuronid) üben ihre Wirkungen via Interaktion mit spezifischen Rezeptoren (Endorphin- bzw. Opiatrezeptoren) aus. Es unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von anderen Opiaten. Deutliche Unterschiede ergeben sich jedoch aus den kinetischen Eigenschaften des Diamorphin. Da Diamorphin stärker lipophil ist als andere Opiate und im Gegensatz zu Morphin von Carrierproteinen nicht am Durchtritt der Bluthirnschranke gehindert wird, gelangt es nach intravenöser Injektion innerhalb von wenigen Sekunden in das Gehirn und kann einen «Flash» genannten, blitzartig eintretenden „Wonneschauer“ auslösen. Verglichen mit verabreichtem Morphin führt Diamorphin in nur der halben Zeit zu doppelt so hohen Blutkonzentrationen seines Metaboliten Morphin. Diese Dynamik ist auch bei Verwendung der Tabletten (Diaphin IR) spürbar.
Link: Literatur Halbsguth & Fattinger et alBr J Clin Pharmacol. 2008 Dec;66(6):781-91 (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18945270)

Pharmakokinetik

Diacetylmorphin hat eine Halbwertszeit von etwa 3 Minuten. Es wird im Zentralnervensystem und in peripheren Geweben durch ubiquitäre Esterasen (Abspaltung einer Essigsäuregruppe) rasch zu 6-MAM metabolisiert. Mit einer Halbwertszeit von 20 Minuten wird auch die zweite Acetylgruppe abgespalten. So entsteht als aktiver Metabolit Morphin, welcher eine Plasmahalbwertszeit von etwa drei Stunden aufweist. Die Elimination erfolgt neben der Galle (7-10%) hauptsächlich über die Niere als Glucuronide. Aufgrund der relativ zu den entsprechenden Halbwertszeiten sehr langen Dosierungsintervallen (i.d.R. 2-3-mal täglich) besteht keine Kumulationsgefahr für Diacetylmorphin und dessen Metaboliten.
Link: Literatur Reichel& Fattinger et al Clin Pharmacol Ther 2001;70:237-46 (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2675771/)

Im Rahmen einer Schwangerschaft gelangt Diamorphin und aktive Metaboliten via Plazenta in das ungeborene Kind. Wegen der noch nicht voll ausgebildeten Blut-Hirnschranke kann Morphin im kindlichen ZNS höhere Konzentrationen erreichen als bei der Mutter.

Diacetylmorphin Behandlung

  • Wirkung:
    • Euphorie, Analgesie, Anxiolyse
    • beruhigender Effekt
    • Verhinderung von Entzugssymptomen bei Opioidabhängigkeit
  • Nebenwirkung:
    • Opioidnebenwirkungen:
      • Obstipation, Zyklusstörung / Oligomenorrhoe, Übelkeit, emetische Sofortreaktion, Sedation
    • histaminvermittelte Nebenwirkungen:
      • Pruritus, Urtikaria, Quincke-Ödem
    • Schwerere Nebenwirkungen:
      • epileptiforme Anfälle, Thrombozytopenie, orthostatischer Kollaps, Arrhythmie, Bewusstlosigkeit, Atemdepression / Atemstillstand, Harnverhalten
  • Intoxikationszeichen:
    • Bewusstseinstrübung, Apnoe, Hypoxämie, Lungenödem, Herzkreislaufstillstand
    • Die minimal tödliche Dosierung für einen nicht opiatgewöhnten Menschen liegt bei 20 mg DAM-Lösung intravenös.
  • Entzugszeichen:
    • Gähnen, Schwitzen, laufendes Nasensekret, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Tremor, Unruhe, Muskelverkrampfungen, Schmerzzustände, Angstzustände, Schlafstörungen, Tachykardie und arterielle Hypertonie.
    • Die Entzugssymptomatik kann bereits ca. 6 Stunden nach der letzten intravenösen Applikation beginnen und kann bis zu einer Woche nach Sistierung des Konsums andauern.
  • Kontraindikationen:
    • Überempfindlichkeit gegenüber DAM, schwere Atemwegserkrankungen, Atemdepression, akutes Abdomen, paralytischer Ileus, erhöhter Hirndruck, Hirntrauma, Phäochromozytom sowie gleichzeitige Einnahme von MAO-Hemmern.
    • Die Indikation einer Behandlung mit DAM ist bei folgenden Erkrankungen genau zu prüfen: Epilepsie, Nieren- und Leberinsuffizienz, Hypothyreoidismus, respiratorische Erkrankungen, Hypotonie, Bradykardie, Prostatahyperplasie und Diabetes mellitus.
  • Interaktionen:
    • Die gleichzeitige Einnahme von Narkotika, Benzodiazepinen, anderen Sedativa und Hypnotika sowie Alkohol potenzieren die Wirkung von Diacetylmorphin (erhöhtes Risiko von Atemdepression). Es besteht keine Kreuztoleranz.
    • Der Beikonsum von Kokain sowie der Entzug von Alkohol, Benzodiazepinen, Barbituraten und anderen Sedativa erhöhen die Gefahr von Epilepsien.
    • Zu erwähnende Medikamentengruppen bezüglich Interaktionen sind:
      • Antidepressiva (trizyklische Antidepressiva können die kardiale Reizleitung verändern, die Krampfschwelle erniedrigen und eine Veränderung der Schilddrüsenhormone herbeiführen)
      • Neuroleptika (zu achten ist auf EEG-Veränderungen und auf eine Erniedrigung der Krampfschwelle sowie die zusätzliche mögliche Sedation)
      • antiretrovirale Therapien (Ritonavir führt zu einer Erniedrigung der Serumkonzentration von DAM, prinzipiell soll bei gleichzeitiger Gabe von ART auf eine etwaige Erniedrigung der Serumkonzentration von DAM geachtet werden)
      • Benzodiazepine (es sollten Benzodiazepine mit langen Halbwertszeiten und langsamer Resorption gewählt werden)
      • Antiepileptika (generelle Vorsicht ist bei Barbituraten geboten)
  • Dosierung:
    • In der Aufdosierungsphase wird zwischen nachgewiesener (Übertritt aus anderer OAT-Form) bzw. nicht nachgewiesener Opioidtoleranz unterschieden. Für die Aufdosierung stehen verschiedene Aufdosierungsschemata zur Verfügung.
    • Im Rahmen der laufenden Behandlung ist es möglich, Umstellungen von Diacetylmorphin intravenös auf DAM –Tabletten vorzunehmen ebenso einen Wechsel auf Methadon, L-Polamidon oder Morphin, so zum Beispiel für Ferienmitgaben.
    • Für die Dosierung von DAM gibt es aufgrund der individuellen Opiattoleranz kaum allgemeingültige Richtlinien.
    • Bei Spital- oder Gefängnisaufenthalten ist eine Fortsetzung der DAM-OAT teilweise möglich. Dies ist einer Umstellung auf Methadon u.U. vorzuziehen.
  • Eigenschaften der DAM-Tabletten:
    • Möglichkeit der Aufnahme Opioidabhängiger, welche die Substanz bis anhin geschnupft oder inhaliert haben, oder nicht mehr injizieren wollen oder können. Es besteht unter gewissen Voraussetzungen die eingeschränkte Möglichkeit der Mitgabe.
    • Durch die galenische Form der Tabletten ist bei bestehender Opioidabhängigkeit ein Verzicht auf die Injektion von Diacetylmorphin möglich.
    • Gegenüber der intravenösen Verabreichung beträgt die Bioverfügbarkeit von Diamorphin oral nur 50%.

Strassenheroin

  • Heroin wird durch einen chemischen Umwandlungsprozess (Acetylierung) aus Morphin, welches wiederum aus Opium gewonnen wird, erzeugt.
  • Bevor das Heroin auf der Strasse verkauft wird, wird es durch Händler mit allerlei anderen, den Drogenkonsumenten unbekannten, mitunter gefährlichen Stoffen wie Milchzucker, Mehl, Gips, Koffein, aber auch mit diversen Wirkstoffen wie z. B. Paracetamol oder Ascorbinsäure versetzt und ist sehr oft mikrobiologisch kontaminiert. Der Reinheitsgrad des Strassenheroins unterliegt starken Schwankungen, der Konsument weiss nie, wie hoch der Wirkungsgrad ist, somit ist die Gefahr einer Überdosierung hoch.
  • Die Substanz wird üblicher Weise in kleinen, gefalteten "Briefchen" a 0,1 bis 1 g gehandelt.
  • Das Strassenheroin ist je nach Beimengungen beige gefärbt, selten weiß, es ist geruchlos, kristallin und schmeckt bitter.
  • In der illegalen Drogenszene sind 3 Formen des Heroinkonsums verbreitet: Folienrauchen, pernasales Schnupfen, intravenöser Konsum.
    Safer Use: Wichtig ist hierbei die Vermeidung der Übertragung von Infektionskrankheiten, insbesondere HIV und Hepatitis C. Dass heisst, dass bei intravenösem Konsum das Wasser, die Filter, Nadeln und Spritze NIE geteilt werden dürfen. Bei pernasalen Schnupfen dürfen ebenso die Röhrchen NIE geteilt werden.

 

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